Sinn der Holzpuppe

Wozu brauche ich eine Holzpuppe?

Das Üben an der Holzpuppe stellt für den Wing Tsun /Wing Chun-Lernenden einen Meilenstein in seiner Entwicklung dar. Nicht ohne Grund, ist es das wichtigste Trainingswerkzeug dieser Kampfkunst. Leider sind sich viel Neulinge der immensen Bedeutung der Puppe für den eigenen Trainingsfortschritt nicht bewusst. Hinzu kommt, dass verbandspolitische Regeln das Training an der Holzpuppe zu einer Art elitären Disziplin machen, deren Zugang sich nur „Fortgeschrittenen“ Schülern erschließt. Je früher Sie damit beginnen, desto besser! Im Idealfall lernt der Schüler den richtigen Umgang an der Puppe von einem erfahrenen Lehrer. Ist dieser nicht verfügbar, wird er dennoch aus eigener Anschauung seine Schlüsse ziehen können.

Das Training an der Holzpuppe bedeutet für den Schüler einen Quantensprung nach vorn – und dies aus folgenden Gründen:

Korrigierende Eigenschaften der Holzpuppe für den Übenden

Aufgrund ihrer Abmaße hat die Holzuppe für den Übenden zusätzlich einen korrigierenden Einfluss

Simulation des Gegners oder Trainingspartners
Das Training am Dummy simuliert den Gegner bzw. Trainingspartner in wichtigen Aspekten. Ihre Vorstellungskraft und Phantasie lässt die Puppe sozusagen zum Leben erwachen und verschiedene Verhaltensszenarien des Gegners durchspielen. Egal ob sie offensive, defensive oder Notlösungsstrategien an der Puppe drillen, sie können nur davon profitieren.

Gefahrloses Üben gefährlicher Techniken
Die Holzpuppe verzeiht ihnen jede Grobheit und jede noch so gemeine Angriffstechnik. Zudem lernen Sie auf Ihren Körper zu hören, um sich im Falle einer falschen Körper- oder Gelenkstellung nicht zu verletzen. Der Schmerz kann hierbei einen enormen korrigierenden
Einflusss haben. Mit jedem Hieb und Schlag lernen Sie, Ihren Körper effektiver einzusetzen und Kräfte optimaler einzusetzen. In der Tat lassen sich manche Techniken nur an der Puppe und nicht am realen Trainingspartner üben – wie beispielsweise Schläge zum Kehlkopf oder Tritte zum Knie- und Sprunggelenk.

Automatisierung der eigenen Technik durch Wiederholung
Übung macht den Meister, so sagt man. Und tatsächlich – nicht zuletzt im WT trifft diese mit 100%-iger Gewissheit zu. Das Abermalige Wiederholen von Bewegungsabläufen formt und konditioniert in unserem Gehirn Nervenbahnen und erzeugt neue neuronale Vernetzungen. Die zunächst zaghaft und unsicher ausgeführte Technik kann schliesslich immer präziser und schneller ausgeführt werden, bis sie schließlich so verinnerlicht wird, dass sie automatisch abläuft. Hierdruch werden mentale Kapazitäten für weitergehende Wahrnehmungsebenen frei. Vergleichbar ist dies mit dem Erlernen des Autofahrens: während Sie am Anfang Schwierigkeiten haben z.B. Gas, Kupplung und Bremse zu unterscheiden, sind Sie mit zunehmender Übung in der Lage, dies automatisch zu tun und ihre Aufmerksam auf den Verkehr zu richten. Ebenso verhält es sich beim Holzpuppen-Training des Wing Tsun.

Verbesserung der Motorik, Entwicklung von von Schnelligkeit und Kraft
Die Wiederholung von Abläufen verbessert schliesslich auch die Motorik, wodurch Sie in die Lage versetz werden präziser zu arbeiten und simultan Aktione besser durchzuführen. Gerade im WT spielt der Einsatz simultan ausgeführten Bewegungen eine grosse Rolle. Dies alles geht einher mit der Zunahme von Schnelligkeit und Kraft.

WT-spezifisches Training
Die Wing Tsun Holzpuppe ist ein WT-spezifisches Traininggerät, welches eigens hierfür konzipiert wurde. Es ist auf die Bedürfnisse des WT-Lernenden abgestimmt.

Entwicklung der WT-spezifischen Nachgiebigkeit
Im WT geben wir in erster Linie, (dh. immer, wenn uns diese möglich ist) mit dem ganzen Körper. Wirkungen auf den eigenen Körper nehmen hierbei notwendiger Weise gemäß dem „Hand-vor-Fuss-Prinzip“ Wirkung auf unsere Schritttechnik bwz. verursachen diese erst. Diese Vorgehensweise ist notwendig, um den eigenen Angriff mit zeitgleich stattfindenden (passivem) Nachgeben verbinden zu können. Ein echtes System basiert daher immer auf dem „Mechanischem Prinzip“. Damit diese funktioniert, benötigen wir die Fähigkeit der „WT-Mindestkraft“.

Entwicklung der Wing Tsun-Mindestkraft
Um WT erlernen zu können, benötigen wir einen Trainingspartner, der stärker ist, als wir selbst. Genau genommen bezieht sich dies auf die Seitenstabilität der gegnerischen Gliedmaßen. Und genau hier kommt die Holzpuppe ins Spiel, welche auf Grund ihre Eigenschaften den stärksten Trainingspartner überhaupt darstellt. Die Mindestkraft definiert sich auf dem Maß an Kraft, welche wir benötigen, um uns mit unseren Gliedmaßen an den Gegner heran zu ziehen oder uns von diesem wegzudrücken.

Training der Notfallkollisionen

Wie oft schon hat man Ihnen erzählt: „Im Wing Tsun“ benötigen wir keine Kraft! Vergessen Sie diese Märchen ganz schnell. Realistisch betrachtet passiert in einem Kampf folgendes:

    • Es gelingt Ihnen, einem Angreifer zuvor zu kommen, so dass dieser seine Waffen nicht einsetzen kann. In diesem Falll benötigt ihre Technik zumindest so viel Kraft, dass ihr Schlag genügend Wirkung entfalten kann.
    • Es gelingt Ihnen, einem gegenwärtigen Angriff durch ausweichende Arbeitsweisen zu entgehen. Dies erfordert ebenfalls keine grossen Kraft, da der Schlag des Angreifers ja ins Leere geht. Wieder benötigen Sie in erster Linie Schlagkraft, um eine Wirkungstreffer zu erzielen.
  • Ihr Gegner ist „wachsam“ und schlägt und handelt genauso schnell wie sie selbst. Gerade in Auseinandersetzungen, die einem „Ritualkampf“ entsprechen und bei dem sich beide Parteien auf den Kampf einstellen, ist dies oft der Fall. Beobachten Sie doch mal einen Boxkampf. Sie werden feststellen, dass 95% des Kampfes geprägt sind von Armkollisionen. Ein versierter Gegner ist daher ein Garant dafür, dass Sie die notwendige Mindestkraft entwickeln müssen, welche ihnen im  Falle einer unausweichlichen Arm (oder Bein-) Kollision Schutz bietet und Verschiebungen erst möglich macht. Dies entspricht in etwa dem Trainingszustand eine mittel trainierten Athleten. Für einen Menschen also durchaus durch entsprechendes Training erreichbar. Das Training an der Holzpuppe trainiert die Seitenstabilität unsere Gliedmaßen für diesen Zweck auf ideale Weise. Reines Schattenboxen (Formen, welche man nur in Luft trainiert) kann diese nicht leisten.

Entwicklung des richtigen Sehens (peripheres Sehen)
Während des Übens an der Puppe lernen Sie, die „Kopf“ der Puppe stets zu beobachten während ihr restlicher Körper seine Technik trainiert. Diese Art des Sehens ist unscharf, aber dennoch wichtig, da sich unser Sichtfeld hierbei erweitert.

Zeitliche und räumliche Unabhängigkeit von einem Trainingspartner (Vertiefung und Erhaltung des Trainingsstandes)
Kennen Sie das? Ihr Trainingspartner hat Sie wieder mal versetzt, was tun? Die Holzpuppe kann einen lebendigen Trainingspartner zwar nicht völlig ersetzen, doch lassen sich daran wichtige Parameter trainieren und ein vergleichbar hoher Trainingszustand lange aufrecht erhalten. In einigen Aspekten (wie z.B. dem gefahrlosen Üben oder dem Training der Seitenstabilität) ist sie einem lebendigen Partner sogar überlegen.

Abhärtung
Die Menschlichen Nevenzellen bleiben uns beim Üben und Auftreffen auf hartes Holz erhalten, weshalb man nicht von einer tatsächlichen Abhärtung (wie z.B. im mechanischen Sinne) sprechen kann. Jedoch gewöhnen wir uns mit jedem Schlag an das Gefühl des Auftreffens, wodurch wir uns entsprechend konditionieren und dadurch indirekt unempfindlicher werden.

Korrektur von Bewegungen
Die Position der Puppenarme kann dazu beitragen, manche unserer Bewegungen zu korrieren, da sie uns zwingt, Arm- und Ellbogenpositionen auf bestimmte Weise einzunehmen.

Entwicklung von elastischer Körperarbeit (bei schwingenden Modellen)
Elastische Puppen simulieren durch ihre mechanischen Eigenschaften das menschliche Widerstandsverhalten, wodurch sich unsere Technik verbessert. Wir fühlen, wie sich elastische Körperspannung auf uns auswirkt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die WT-Holzpuppe dem Wing Tsun-Lernenden eine wahre Fülle an Vorteilen verschafft, mit deren Hilfe sich Fortschritte weit schneller einstellen, als dies ohne Puppentraining der Fall wäre.

Weiterführende Informationen für WT-Interessierte, kostenfreie Lehrvideos und Technikeserien, sowie eine allgemeine Einführung zum Thema Selbstvertverteidigung erhalten Sie unter folgendem Wing Tsun Link.

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